Folkwang

Transition Design Guide – ein neuer Leitfaden für nachhaltiges Design

Drei Fragen an Dr. Christa Liedtke, Professorin für „Nachhaltigkeit im Design“ im Fachbereich Gestaltung an der Folkwang Universität der Künste

 

Was haben Design und Umwelt mit Nachhaltigkeit zu tun? Diese Überlegung steht im Mittelpunkt des neuen Transition Design Guides, der von der Folkwang Universität der Künste und dem Wuppertal Institut in Kooperation mit der ecosign – Akademie für Gestaltung Köln und der Bergischen Universität Wuppertal entwickelt wurde.

Cover des Transition Design Guides

Cover des Transition Design Guides

 

Der Leitfaden enthält einerseits viele praktische Methoden und Ideen, um Produkte, Dienstleistungen oder soziale Räume nachhaltiger zu gestalten. Andererseits regt er aber auch zu mehr Experimentierfreude in Bezug auf die nachhaltige Mitgestaltung unserer Zukunft an.


Entstanden ist der Transition Design Guide unter der Leitung von Dr. Christa Liedtke, Professorin für „Nachhaltigkeit im Design“ im Fachbereich Gestaltung an der Folkwang Universität der Künste und Leiterin der Abteilung Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren am Wuppertal Institut.

 

Anlässlich der Veröffentlichung des neuen Transition Design Guides im August 2019 machte Dr. Christa Liedtke mit bei der Interviewreihe „Drei Fragen an…“ von Kommunikation & Medien.

Fridays for Future, CO2-Steuer, Elektroautos… An welchem Punkt befindet sich unsere Gesellschaft aktuell in Bezug auf Nachhaltigkeit?


Dr. Christa Liedtke: Wir müssen nüchtern festhalten, dass wir seit Jahrzehnten – allen Anstrengungen zum Trotz – alle gesetzten Klima- und Ressourcenziele verfehlen. Im Rahmen der Fridays-for-Future-Bewegung fordert nun zu Recht die Generation, die in wenigen Jahren am meisten von den ökologischen Folgen betroffen sein könnte, dass die beschlossenen Maßnahmen auch umgesetzt werden. Denn wenn sich nichts ändert, ist die Heimat vieler Menschen in Gefahr! Die Tragik liegt doch darin, dass wir momentan bemerken, dass der im vergangenen Jahrhundert errungene Wohlstand in all seiner soziotechnischen Fortschrittlichkeit ökologisch langfristig nicht zu halten ist. Es braucht gravierende Veränderungen, um nachhaltig zu agieren, was letztlich bedeutet, zukünftigen Generationen nichts zu verbauen. Als Werterahmen für diesen Veränderungsprozess haben die Vereinten Nationen 2015 die internationalen Nachhaltigkeitsziele – die sogenannten „Sustainable Development Goals“ (SDGs) – verfasst. Das Monitoring der SDGs zeigt uns, wie ungleich Entfaltungs- und Lebensmöglichkeiten über den Globus, auf einem Kontinent oder in einer Region verteilt sind. Hier stehen wir noch ganz am Anfang unseres Weges, aber 2030 soll ein Großteil der Ziele erreicht sein. Deutschland kann dazu beitragen, indem es Modelle nachhaltigen Produzierens und Konsumierens entwickelt und erfolgreich umsetzt – als Reallabor für die Welt.

Welchen Beitrag können speziell Gestalter*innen in Bezug auf Nachhaltigkeit leisten?


Dr. Christa Liedtke: So trivial es klingen mag, aber Gestalter*innen sind nun mal Expert*innen auf dem Gebiet der Gestaltung. Für die Gestaltung nachhaltiger Produkte, Dienstleistungen, Systeme und Infrastrukturen werden wir gut ausgebildete Designer*innen benötigen, die nicht vor der Komplexität und Widersprüchlichkeit des Themas Nachhaltigkeit zurückschrecken, sondern sich mit Passion dieser großen Herausforderung stellen. Letztlich sind Designer*innen schon immer gut darin gewesen, unsere Welt als gestaltet und – vielleicht noch entscheidender – gestaltbar wahrzunehmen. Denn um nachhaltige Veränderungen loszutreten, muss zunächst einmal ein Bewusstsein für die Veränderbarkeit, die Umgestaltung, das Entwerfen der Welt vorhanden sein bzw. geschaffen werden.
Wenn sich die Wirkmacht dann entfacht, stiftet Gestaltung im besten Fall Sinn und Nutzen und ermöglicht ein zufriedenes Leben in einer intakten Umwelt. Design ist somit ein Kernelement einer nachhaltigen Entwicklung und beschreibt die Verfasstheit und Haltung einer Gesellschaft. Es bleibt also sehr viel zu tun für Designer*innen.

Welche Strategien für ‚mehr Nachhaltigkeit‘ zeigt ihr neu aufgelegter Transition Design Guide auf?


Dr. Christa Liedtke: Unser Transition Design Guide nimmt die individuellen und sozialen Bedürfnisse der Menschen auf und verbindet sie mit den ökologischen Faktoren. Der Guide verdeutlicht die Zielkonflikte und unterstützt bei der Suche nach kreativen Lösungen und macht ein Aushandeln möglich. Und was noch wichtiger ist: Er macht den Entscheidungsprozess transparent und nachvollziehbar. Der Guide zeigt, dass international gefasste Ziele wie die SDGs in Form und Gestalt umgesetzt werden können. Nachhaltigkeit muss sich in Produkten, Dienstleistungen und Infrastrukturen übersetzen, da sie sonst nicht umsetzbar ist. Dabei räumt der Transition Design Guide mit vielen Mythen des Alltags auf und gibt dem Design eine Orientierung. Er hilft, sich allgegenwärtiger Unwissenheit zu stellen und mit ihr vorsorgend umzugehen. „Transition“ bedeutet, kreative Suchprozesse nach der besten und nachhaltigsten Gestaltung für Mensch, Gesellschaft und Umwelt auszulösen. In der Vielfalt der Lösungen besteht auch die Vielfalt der Menschen, die sich damit erreichen lassen – dadurch gewinnt Nachhaltigkeit an Wirkung.


Weitere Informationen:


Deutschsprachiger Transition Design Guide (2019)
http://wupperinst.org/design-guide

Englische Fassung des Transition Design Guide (Wuppertal Institut, 2013): https://epub.wupperinst.org/frontdoor/deliver/index/docId/4893/file/WS46.pdf


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Kristina Schulze / 02. Oktober 2019