Folkwang

Willkommen an Folkwang… Simon!

Simon ist 22 Jahre alt und wohnt seit Kurzem in Essen. Für das Fotografiestudium an Folkwang ist er extra aus Graz hierhergezogen. StudiScout Henriette Lips hat sich mit ihm über seine Erwartungen und bisherigen Erfahrungen in der neuen Stadt und an die Folkwang Universität der Künste unterhalten. 

Simon Folkwang StudiScouts c Ilkin Guliyev

Simon Folkwang StudiScouts c Ilkin Guliyev

 

Simon und ich haben uns bei seiner Mappenprüfung im April kennen gelernt. Damals hatte er über die Bettenbörse an Folkwang einen Schlafplatz bei einem guten Freund von mir gefunden; da kamen wir das erste Mal ins Gespräch. Ich habe mich gleich gefragt, warum er für sein Studium nach Essen an die Folkwang Universität der Künste kommt und nicht zum Beispiel nach Wien an die Angwandte geht. Nun konnte ich ihn endlich genau über all das ausfragen.

Das Erste, was an Simon auffällt, neben seinem österreichischen Akzent, ist seine alte Leica, die er immer um seine Schulter hängen hat. Man sieht ihm also direkt seine Begeisterung für Fotografie an. Die Kamera hat er von seinem Uropa, erzählt er mir. Dieser war im Zweiten Weltkrieg Veterinär und hat mit derselben Kamera auch schon fotografiert.

 

„Ich habe einmal damit angefangen und dann einfach nicht mehr aufgehört.“

 

Das Interesse an der Fotografie kommt aber nicht nur von der Neugierde an der geerbten Leica, sondern wurde in der Schule von einem Lehrer geweckt. Simon musste in der Oberstufe die 3. Klasse wiederholen (das entspricht der 9. Klasse in Deutschland). Er erzählt mir, dass er viel mehr Zeit hatte als vorher, da er ja den meisten Lernstoff schon kannte. Deshalb trat er der Fotografie-AG bei, die sein Chemielehrer neu gegründet hatte. Dort hatte er eine Einführung in die digitale, aber auch in die analoge Fotografie. Schnell merkte er, dass sein Interesse immer mehr wuchs, sodass er sich auch außerhalb der Schule weiter mit seinen Kameras beschäftigte. Er sagte mir, dass er damit angefangen und dann einfach nicht mehr aufgehört habe. Sein Leben habe sich auch immer mehr um die Fotografie gedreht: „Mit Hilfe von Nebenjobs habe ich mir immer eine kleine Summe an Geld angespart, und dieses dann direkt für Kameras und Zubehör ausgegeben.“ So wuchs auch seine Sammlung immer weiter. Seine Lieblingskamera bleibe aber immer die Schraub-Leica seines Uropas.

 

„Am Anfang war alles für mich ganz schön gewöhnungsbedürftig.“

 

Doch wenn man nun aus Graz, einer Stadt mit hauptsächlich Altbauten, einem Schloss und sehr viel Grün kommt, ist das dann nicht der komplette Kulturschock in eine Region zu kommen, wo eher der Charme der Industrie dominiert? 

„Am Anfang war alles für mich ganz schön gewöhnungsbedürftig.“ Nicht nur die Industriearchitektur, sondern auch die Mentalität. Er erzählt dass er einmal in eine Trinkhalle gegangen sei und total überrascht war, wie redefreudig der Verkäufer war. Die Offenheit der Menschen findet er sehr bereichernd: „Dadurch dass man sich immer irgendwas erzählt, bleibt man im ständigen Austausch, nicht nur mit seinen Nachbarn, und lernt dadurch immer mehr Menschen und deren Geschichten kennen.“  

Die Idee an Folkwang Fotografie zu studieren, kam durch seine Nachbarin in Graz. Diese ist Opernsängerin und hat auch an Folkwang Gesang unterrichtet. Ab diesem Zeitpunkt habe er sich auch mit der Fotografiegeschichte der Hochschule auseinandergesetzt. Die Begeisterung für zeitgenössische Fotografie aus der Region und die Vorstellung, an der gleichen Hochschule zu studieren, an der auch Otto Steinert gelernt und gelehrt hat, sei für ihn sehr motivierend gewesen. 

Auch die zeitgenössischen Fotografen aus der Region, wie Thomas Ruff, Thomas Struth, Andreas Gursky sind für Simon sehr bedeutend. Die technischen Möglichkeiten, vor allem in der analogen Fotografie, die ihm die Hochschule bietet, waren mitunter auch ein Grund für seine Entscheidung an Folkwang zu studieren. 

 

„Wer würde nicht gerne die meiste Zeit des Studiums in einem nagelneuen Labor mit den besten Maschinen verbringen?“

 

Als ich ihn nach seinen Erwartungen an das Studium frage, muss er erst mal lange nachdenken. „So richtige Erwartungen habe ich eigentlich gar nicht“,  sagt er mir, „Eher versuche ich ganz offen und unvoreingenommen das erste Semester zu starten. Ich weiß ja auch noch gar nicht, wo ich mit meinen Bildern hinmöchte. Der erste Schritt ist erst mal zu lernen, meine eigenen Bilder und meine Ansprüche an diese zu verstehen. Erst dann kann ich Vorbilder finden, die ich jetzt noch gar nicht habe.“ Wovon er jetzt allerdings schon profitiere, sei der Austausch mit seinen KommilitonInnen. Das sei für ihn einfach das, was ihn im Moment am meisten bereichere. Auch die Arbeiten aus den anderen Studiengängen sieht er sich gerne an. „Das interdisziplinäre System an Folkwang, dass man sich die ganze Zeit nur unter kreativen Menschen befindet, konnte ich mir im Vorhinein gar nicht so richtig vorstellen“, sagt er mir dann noch. Es erweitere einfach den eigenen Horizont im ständigen Austausch mit Leuten zu stehen, die einerseits die eigenen Interessensgebiete komplett, andererseits aber auch gar nicht teilen würden. 

Momentan experimentiert er sogar mit Fotografien, die nicht mit Hilfe einer Kamera entstanden sind, sondern zum Beispiel mit dem Scanner. In der Zukunft möchte er immer offener werden, das Medium Fotografie stetig weiter zu hinterfragen und somit auch andere Wege einschlagen zu können, Bilder zu erschaffen.

 

Foto: Ilkin Guliyev

 

Ein Beitrag im Rahmen des Projekts „Folkwang StudiScouts“.

 

 

 

Henriette Lips / 21. Dezember 2017